Bürokratiemonster ohne Mehrwert für den Vertrieb

DRV zieht nach einem Jahr neues Reiserecht Bilanz

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„Die große Katastrophe ist ausgeblieben und damit auch das vielfach angekündigte Reisebürosterben. Wir haben die Herausforderung gemeistert – auch wenn das neue Reiserecht dem Vertrieb beim Verkauf von Reisen nicht gerade hilft“, erläutert Ralf Hieke, Vizepräsident der mittelständischen Reisebüros im Deutschen Reiseverband (DRV) und Reisebüroinhaber, gefragt zu seiner Bilanz nach einem Jahr neues Reiserecht. Am 1. Juli ist die EU-Pauschalreiserichtlinie ein Jahr in deutsches Recht umgesetzt. „Geblieben ist jedoch ein unfassbares Bürokratiemonster“, so Hieke weiter. „Das neue Recht ist überaus komplex und bürokratisch. Es ist nicht von der Praxis her gedacht worden, deshalb gerät die Reiseberatung zum Verwaltungsakt. Das tut der Vorfreude auf den Urlaub nicht gut. Der DRV hat sich dafür stark gemacht, das Allerschlimmste zu verhindern und für ein Mindestmaß an Praxistauglichkeit zu sorgen.“ Dabei denke er an den Verkauf von Einzelleistungen, der für Reisebüros nach wie vor möglich ist, ohne in die Veranstalterhaftung zu geraten, oder auch die Durchsetzung des Bezahlvorgangs in einem Schritt.

Gleichzeitig warnt Hieke vor übertriebenen Erwartungen an eine Evaluierung des Gesetzes: „In Brüssel wird Verbraucherschutz noch größer geschrieben als in Berlin. Wir müssen sicherstellen, dass das Erreichte nicht gefährdet wird.“ Es müsse aber dringend etwas am überbordenden Bürokratieaufwand getan werden. „Wir suchen gezielt die Gespräche mit der Politik, um deutlich zu machen, dass die Bürokratielawine des neuen Reiserechts vor allem den stationären Vertrieb trifft und bei den Kunden zu Genervtheit und Verunsicherung führt“, so Hieke weiter. „Dem Vertrieb bringt das neue Recht jedenfalls keinen Mehrwert. Weitere ‚Verschlimmbesserungen‘ aus Brüssel brauchen wir jedenfalls nicht.“

Zu viel Bürokratie und zu wenig Nutzen

„Der Zeitaufwand für die rechtliche Aufklärung hat sich erhöht – Zeit, die wir lieber für die eigentliche Urlaubsberatung verwenden würden. Und die Kunden sind gleichgültig oder genervt“, berichtet Hieke aus der Praxis. „Auch der Papierverbrauch ist immens. In Zeiten der Digitalisierung und mit Blick auf die Nachhaltigkeit eine völlig unverständliche Entwicklung.“

Seit der Einführung des neuen Reiserechts müssen Reisebüros ihre Kunden exakt darüber aufklären, welche Reiseform sie buchen – also ob es sich um eine Pauschalreise handelt oder der Kunde mehrere Einzelleistungen wie Flug oder Hotel vermittelt bekommt oder ob eine „verbundene Reiseleistung“ gebucht wird. Denn von der gebuchten Leistung hängt ab, welche Rechte der Verbraucher hat und wer im Schadensfall haftet – das Reisebüro, der Reiseveranstalter oder zum Beispiel das gebuchte Hotel oder die Fluggesellschaft. Diese Einordnung ist nicht immer einfach: „Standardfälle laufen gut, sobald es jedoch komplexer wird, wird es auch rechtlich schwieriger“, sagt Andreas Heimann, Vizepräsident der konzerngebundenen Reisemittler im DRV. „Spötter sagen: Idealerweise hat der Reisebüromitarbeiter noch ein Jurastudium absolviert. Aber ich bezweifle, dass dies für den Kunden zu einem besseren Urlaubserlebnis führt.“ Sein Fazit: „Viel zu viel Bürokratie und Regulierung für zu wenig Nutzen – sowohl beim Anbieter, als auch beim Kunden.“

Zum Hintergrund:
Ziel der EU-Pauschalreiserichtlinie, deren Umsetzung in deutsches Recht für Buchungen seit dem 1. Juli 2018 zur Anwendung kommt, war ursprünglich ein verbesserter Kundenschutz in allen 28 Mitgliedstaaten der EU. Damit verbunden sind zahlreiche Auflagen für Reisebüros und Reiseveranstalter, die dem Kunden nicht nutzen und vor allem wegen der damit einhergehenden Bürokratie und den Belastungen sowohl für Reisemittler als auch für Reiseveranstalter seitens DRV von Beginn an immer wieder kritisiert worden sind. Mit der Entwicklung eines umfassenden Prozessmodells hat der DRV die Basis für zahlreiche technologische Lösungen im front-, mid- und back-office-Bereich gelegt. Schon im Vorfeld hatte der Verband darüber hinaus mit zahlreichen Schulungen für umfangreiche Informationen im Umgang mit dem neuen Recht gesorgt – allein die Online-Schulung des DRV zum Thema hatte mehr als 16.000 Teilnehmer.

Die Gesetzesevaluation durch die EU-Kommission in den Mitgliedsstaaten hat in diesem Jahr begonnen. In einem ersten Schritt stehen die Bestimmungen für Online-Buchungen im Fokus. Bis Januar 2021 soll dann ein allgemeiner Bericht über die Anwendung der Richtlinie folgen. Die Bundesregierung erwartet sich dadurch Erkenntnisse, ob Probleme aufgetreten sind, die eine erneute Änderung des Rechts erforderlich machen.

 

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