„Das neue Provisionsmodell der Bahn wird zahlreiche Reiseagenturen veranlassen, ihre Bahnlizenz zurückzugeben.“ Mit diesen Worten reagiert Joachim Horn, Vorstand mittelständische Reisemittler im Deutschen Reiseverband (DRV), auf die neuen Vertriebskonditionen der Deutschen Bahn. „Damit wird für viele Kunden die persönliche und kompetente Beratung der Experten wegfallen, was aufgrund des komplizierten Preissystems auch zu höheren Reisekosten führen wird“, so Horn weiter.
Insgesamt senke die Bahn die Provisionszahlungen für Reisebüros mit DB-Agentur weiter, so dass der Verkauf von Bahntickets nach betriebswirtschaftlichen Überlegungen kaum noch darstellbar sei. Im Mittelpunkt des neuen Modells steht der Fernverkehr. Zwar kündige die Bahn hier Provisionen von bis zu zehn Prozent an, diese seien jedoch an zahlreiche Restriktionen geknüpft. Insbesondere das neue Incentive Fernverkehr, das unabhängig vom Umsatz eine Bonusprovision in Höhe von vier Prozent verspricht, sieht Horn kritisch. So dürften die Agenturen u.a. kein Service-Entgelt für die Beratung und den Verkauf von Bahntickets erheben. Den Verzicht auf Service-Entgelte zu „belohnen“, ist in Horns Augen zumindest irritierend. „Es stellt sich die Frage, warum Reisebüros überhaupt noch Bahnfahrkarten verkaufen sollten, wenn damit kein Geld mehr zu verdienen ist“, sagt Horn. Immerhin habe die Beratungsintensität aufgrund der komplexen Preisstruktur deutlich zugenommen. Darüber hinaus komme lediglich eine verschwindend geringe Anzahl Reisebüros überhaupt in den Genuss des Incentive Fernreisen, da zum einen der Gebietsschutz für die DB-eigenen Reisezentren gelte und das Reisebüro maximal 500 Meter vom Bahnhof entfernt gelegen sein dürfe.
Auch wenn die Bahn beteuere, Beratung, Verkauf und Service an den sogenannten „relevanten Bahnhofsstationen“ zu sichern, werde insgesamt die anerkannt gute Qualität der Beratung im Reisebüro gegen den Online-Verkauf ohne Beratung getauscht. Dies vor dem Hintergrund, dass die Kundenzufriedenheit beim Fahrkartenverkauf im Reisebüro deutlich am höchsten sei im Vergleich zum Kauf in den DB-eigenen Reisezentren oder im Internet. Im Übrigen gebe es im Online-Auftritt der Deutschen Bahn keine individuellen Angebote für Gruppen oder für Reisen ins Ausland. Darüber hinaus sei geplant, bis zum Jahreswechsel eigene Reisezentren an verschiedenen Standorten aufzugeben. Diese Entwicklung ist aus Sicht von Horn weder kundenorientiert noch zukunftsträchtig und auch nicht nachvollziehbar. „Das Nachsehen haben nicht nur die vielen älteren Reisenden“, erklärt Horn. „Vermehrt kommen Familien ins Reisebüro ebenso wie junge Menschen. Gerade bei Reisen ins Ausland oder wenn der Ausgangspunkt der Reise in einem verkehrstechnisch schlecht angebundenen Gebiet liegt, setzen sie auf die Beratung im Reisebüro.“ Darüber hinaus seien auch mobilitätseingeschränkte Reisende vielfach auf persönlichen Service angewiesen.
Das neue Provisionsmodell der Bahn soll ab Anfang 2020 für die rund 2.000 Reisebüros mit DB-Agentur gelten und über drei Jahre laufen.