Der gesellschaftliche Wert der Reisebranche geht in den Augen der Bundesregierung über ihre Bedeutung als Wirtschaftsfaktor hinaus. Dies ergibt sich aus der Unterrichtung einer "Nationalen Tourismusstrategie" (19/9810), für den das Wirtschaftsministerium verantwortlich zeichnet. Hier heißt es, Tourismus sei ein Instrument des kulturellen Austauschs, der Völkerverständigung und damit letztlich auch der Friedenssicherung. Die Nationale Tourismusstrategie ist als Beitrag der Bundesregierung gedacht, um im Rahmen ihrer Kompetenzen die Wettbewerbsfähigkeit des mittelständisch geprägten Reisesektors zu stärken. Aspekten der Nachhaltigkeit, der Sozial- und Umweltverträglichkeit gelte dabei ein besonderes Augenmerk. Dies berichtet der Informationsdienst „Heute im Bundestag“.
Aus dem Entwurf geht hervor, dass die Verfasser an den Bildungswert und die grenzüberwindende Wirkung des Reisens hohe Erwartungen hegen. Reisen führe Menschen zusammen. Es weite den Horizont, lehre Respekt, Toleranz und Vielfalt, beuge Abschottung und Ausgrenzung vor. Nicht zuletzt trage die Tourismuswerbung im Ausland dazu bei, ein "positives, freiheitliches und tolerantes Deutschlandbild" zu vermitteln. Ausdrücklich bekennt sich die Bundesregierung daher zur weiteren öffentlichen Finanzierung der mit dem Auslandmarketing betrauten Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT). Die "gesamtgesellschaftliche Bedeutung eines verantwortungsbewussten Tourismus" sei aus den genannten Gründen viel höher zu bewerten, "als es ökonomische Indikatoren und Kennzahlen beschreiben", heißt es in der Vorlage.
Die Verfasser weisen gleichwohl darauf hin, dass die Tourismuswirtschaft mit 6,8 Prozent zur inländischen Gesamtbeschäftigung und mit 3,9 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt in Deutschland beitrage. Sie zähle rund drei Millionen Mitarbeiter und erziele eine direkte Wertschöpfung von 105 Milliarden Euro. Die indirekten Effekte etwa durch den Einkauf von Lebensmitteln durch die Gastronomie oder den Bedarf an Handwerkerleistungen beliefen sich auf zusätzlich 76 Milliarden Euro beziehungsweise 1,25 Millionen Erwerbstätige. Im Jahr 2015 hätten Reisende in Deutschland 287 Milliarden Euro ausgegeben, ausländische Besucher allein 40 Milliarden. Insbesondere in ländlichen Räumen könne der Reiseverkehr maßgeblich zur Stärkung der Wirtschaftskraft beitragen sowie zum Erhalt öffentlicher Infrastruktur, die Einheimischen wie Besuchern zugute komme, heißt es im Entwurf.
Benannt werden auch Probleme und Herausforderungen, insbesondere der Fachkräftemangel, unter dem die Branche zu leiden hat, und die fortschreitende Digitalisierung. Die Autoren verweisen auf ein Zehn-Punkte-Programm zur Fachkräftesicherung im Gastgewerbe, das die Wirtschaftsministerkonferenz im Juli 2018 beschlossen habe. Die Verfügbarkeit von schnellem Internet und flächendeckender Mobilfunkversorgung nicht zuletzt in ländlichen Räumen sei ein "Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Tourismusstandorts Deutschland". Diese hänge auch von möglichst geringen bürokratischen Belastungen sowie "fairen" steuerlichen Rahmenbedingungen ab.
Mit dem Konzept verschreibt sich die Bundesregierung dem Leitbild eines "Qualitätstourismus" im "Einklang mit Natur und Kultur". Tourismuspolitik solle die Lebensqualität im eigenen Land verbessern und "zu internationaler Stabilität" beitragen.