„Die Lage der Unternehmen in der Reisewirtschaft ist mehr als nur bedrohlich – und in der EU wird keine Entscheidung gefällt. EU-Kommissar Reynders verzögert die dringend notwendige Klarheit über die Gutschein-Regelung. Das ist inakzeptabel“, sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig.
Die Bundesregierung hatte in Berlin bereits am 2. April eine Regelung für die Ausgabe von Gutscheinen beschlossen. Die Bundesminister Altmaier, Lambrecht und Scholz hatten Kommissar Reynders daraufhin aufgefordert, dafür grünes Licht aus Brüssel zu geben. Zuvor hatten sich die Verbände BTW, BDL und DRV in einem gemeinsamen Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen für Gutscheine ausgesprochen.
Reynders hat bis heute nicht auf die Forderung der deutschen Bundesregierung reagiert. Zwölf EU-Mitgliedstaaten haben in einem Akt der Eigennothilfe nationale Regelungen beschlossen oder auf den Weg gebracht. „Reynders schaut hier tatenlos zu. Die Geschwindigkeit politischer Entscheidungsprozesse in Brüssel hält den dramatischen ökonomischen Zersetzungsprozessen von Reisebüros und Reiseveranstaltern nicht Stand. Während Brüssel zaudert und zuwartet, schaffen viele europäische Mitgliedsstaaten längst Fakten und helfen sich selbst. Wenn viele Länder ihre jeweiligen Reiseindustrien durch nationale Gesetze schützen und andere nicht, können wir in Europa nicht mehr von fairen und vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen sprechen. Die Reisewirtschaft als Ganzes gerät hier dramatisch zwischen die Mühlsteine und könnte als Industrie zerrieben werden“, warnt der DRV-Präsident. „Und das, obwohl die Unternehmen vorher gut ins Jahr gestartet waren.“
Aufgrund von staatlichen Anordnungen machen die Unternehmen keine Umsätze mehr und sind gezwungen, ihren Kunden Reisen, die nicht stattfinden können, direkt zu erstatten. „Das schwächt die Reiseunternehmen in dieser existenziellen Krise ganz erheblich. Keine andere Branche ist so früh, so hart und so lang andauernd von der Covid-19-Pandemie betroffen wie unsere. Wir erwarten auch in Brüssel tatkräftiges Handeln statt Untätigkeit“, fährt Fiebig fort. „Bereits Anfang April hatte die Bundesregierung mit einem Kabinettsbeschluss der vom DRV vorgeschlagenen verpflichtenden Gutschein-Lösung mit staatlicher Absicherung zugestimmt – eine Lösung, die für alle Beteiligten – Reiseveranstalter, Reisebüros und natürlich auch die Kunden von Vorteil ist.
Die Reisewirtschaft in Deutschland hat alleine von Mitte März bis Ende April Umsatzeinbußen in Höhe von 4,8 Milliarden Euro zu verkraften. 3,5 Milliarden Euro fließen gerade kurzfristig für Kundenrückzahlungen aus den Unternehmen ab. „Das führt zu einer nicht mehr zu verkraftenden ökonomischen Schieflage“, so Norbert Fiebig. Wenn Brüssel weiter zaudert, muss die Bundesregierung das Heft des Handelns wieder ergreifen und sehr schnell auf nationaler Ebene Schritte zum Schutz der Reisewirtschaft umsetzen“, verdeutlicht Fiebig.
Die Lage ist existenziell – mit entsprechenden Folgen auch für die Kunden: „Erste Insolvenzen in der Reisewirtschaft infolge von Corona hat es bereits gegeben und viele Reisebüros und Reiseveranstalter werden leider in Kürze folgen, wenn die verpflichtende Gutscheinlösung nicht kommt“, erläutert der DRV-Präsident die Bedrohungslage. „Wenn Reiseveranstalter in großer Zahl in die Insolvenz rutschen, werden die Urlauber viel Geld verlieren. Das kann auch politisch nicht gewollt sein. Gutscheine sind eine Lösung, die schnell wirkt. Darauf kommt es an. Weitere Stützungsmaßnahmen der Bundesregierung werden ferner für alle Teile der Wirtschaft notwendig sein, die durch behördliche Anordnungen wie zum Beispiel weltweite Reisewarnungen zur Einstellung ihres Geschäfts gezwungen sind.“