Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments und des Rates haben sich nach längeren Trilog-Verhandlungen zu EU-Sammelklagen geeinigt. Der Anwendungsbereich der kollektiven Klage umfasst ausdrücklich Reisen und Tourismus, sowie die Rechte von Flug- und Bahnreisenden. Mit dem neuen EU-Regelwerk können bestimmte Institutionen wie Verbraucherverbände stellvertretend für die Geschädigten Unternehmen auf Schadenersatz verklagen.
Verhandelt wurde über die zentrale Frage, welche Sicherheitsmechanismen eingesetzt werden können, um Missbrauch auszuschließen. Doch das Risiko für missbräuchliche Klagen ist nicht gebannt, teilt der Deutsche Reiseverband (DRV) mit. Das Europäische Parlament hatte sich dafür stark gemacht, ad-hoc gegründeten Einrichtungen eine Klagebefugnis zu verweigern und hat sich damit durchgesetzt. Das ist eine gute Nachricht auch für die deutsche Reisewirtschaft.
Es sollen künftig nur qualifizierte Institutionen wie Verbraucherverbände stellvertretend für die Geschädigten klagen. In jedem EU-Staat soll zumindest eine Organisation dazu bestimmt werden. Das zielt in die richtige Richtung. Aber nur, wenn dies in den Nationalstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie entsprechend berücksichtigt wird, kann verhindert werden, dass private Schadenregulierer Unternehmen profitorientiert mit missbräuchlichen Ansprüchen überziehen.
Höchst problematisch ist, dass das so genannte Opt-out-Prinzip für Verbraucher die Regel sein wird. Verbraucher müssen also aktiv mitteilen, falls sie nicht klagen wollen, sonst klagen die Verbände stellvertretend für sie, auch ohne sie vorher zu kontaktieren. Nach dem Opt-in-Prinzip müssten sich potentiell geschädigte Verbraucher vorab beim klagenden Verband melden, um an der Sammelklage teilzunehmen. Das hätte das Risiko für Unternehmen deutlich kalkulierbarer gemacht.
Völlig unbefriedigend ist auch, dass zwischen grenzüberschreitenden und nationalen Fällen unterschieden wird. Das öffnet der Klageindustrie Tür und Tor durch das so genannte Forum Shopping. Das amerikanische Modell steht dabei Pate: Kläger suchen sich den für sie vielversprechendsten Gerichtsort aus, gehen also dorthin, wo die Anforderungen am geringsten sind.
Aus Sicht der Branche sollten sich Parlament und Rat dieser Schwachstellen nochmal annehmen, bevor sie der Einigung der Verhandlungsführer zustimmen. Die Mitgliedstaaten haben dann 24 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Danach soll eine Übergangsfrist von sechs Monaten gelten, bis das neue Gesetz greift.